Lehren und Lernen in heterogenen Lerngruppen im Evangelischen Religionsunterricht an beruflichen Schulen im Lehr-/ Lernarrangement "Sonntagsarbeit - Sonntagsruhe?!"
Chancen und Herausforderungen in einer kompetenzorientierten Praxis
Von Horst Kaufmann, Ausbilder am Studienseminar für berufliche Schulen in Kassel mit Außenstelle in Fulda für die Fachdidaktik Ev. Religion. Unterstützt von den Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst im Unterrichtsfach Ev. Religion an beruflichen Schulen (L4): Johannes Fröhlich, Lena Kirbach, Christina Matten, Hanna Rohmund, Katrin Schütz und Nils Schwarz
Welche unterrichtlichen Rahmenbedingungen in einem Ev. Religionsunterricht sind geeignet, um einen möglichst hohen Lernerfolg und eine religiös-ethische Urteilsbildung für jeden Schüler/jede Schülerin zu erreichen? Wie kann eine veränderte Unterrichtsstruktur zu einer Individualisierung des Lernens und einer optimalen bildungspolitisch angestrebten individuellen Förderung von religiösen Kompetenzen im konfessionell verorteten Religionsunterricht beitragen?
Entscheidend für die Nachhaltigkeit des Lernens wird sein, ob es uns gelingt, den Paradigmenwechsel von der Homogenität der Lerngruppe hin auf die Heterogenität zu vollziehen. Unverkennbar ist eine wachsende Unterschiedlichkeit der Schüler/innen, die Lehrende in allen Schulformen und in der Erwachsenenbildung herausfordert. Den Megatrend ‚Diversität‘ wahrzunehmen, damit umzugehen und Chancen zu nutzen, ist das andere. Das Bewusstsein, dass keine Lerngruppe homogen ist, ist damit die Voraussetzung, den Religionsunterricht wie im unterrichtspraktischen Beispiel ‚Sonntagsarbeit – Sonntagsruhe?!‘ neu von den Lernenden her zu denken und eigene Leitbilder des Religionsunterrichtes als Lehrende/r zu bearbeiten und somit Heterogenität zu nutzen und zu gestalten. Biographische Hintergründe, Elternhaus und Herkunft, Begabungen, soziales Umfeld, konfessionelle, kulturelle und ethische Hintergründe, Orientierungen und Werte kennzeichnen die Gemengelage der Heterogenität in einer Lerngruppe nicht nur an beruflichen Schulen. Die Idee, dass 25 Schüler/innen meist unterschiedlichen Alters im gleichen Raum zur gleichen Zeit mit dem gleichen Material auf der gleichen Seite das Gleiche lernen und später zum gleichen Zeitpunkt zu den gleichen Fragen die gleichen Antworten geben und sogar noch Fähigkeiten zum eigenen Urteilen und Handeln entwickeln, das scheint auch aus lernpsychologischer Sicht überholt. Möglichkeiten zum Umgang mit Heterogenität sind Differenzierung hinsichtlich einer individualisierten Unterrichtsgestaltung, um somit die Lernenden individuell zu fördern und zu fordern. Dabei gilt es Ressourcen von Lernenden zu nutzen, individuelle Lernangebote zu machen, Input des/der Unterrichtenden zu geben, wie auch kooperativ zu arbeiten und zu lernen sowie theologisch-ethische Gespräche zu führen.
Das unterrichtspraktische Beispiel ‚Sonntagsarbeit-Sonntagsruhe?!‘ zeigt ein Spektrum von kleinen Schritten und längerfristigen Perspektiven zum Umgang mit Heterogenität im Ev. Religionsunterricht einer Berufsfachschulklasse im Übergang zur Ausbildung (BÜA).
Diese mögliche Vorgehensweise und Schritte auf dem Weg des Lehrens und Lernens in heterogenen Lerngruppen im Lehr-/Lernarrangement ‚Sonntagsarbeit – Sonntagsruhe?!‘ unterstützen dabei:
A. Auseinandersetzung mit kompetenzorientierten Lernzielen mit dem Ziel, bewusst zu machen, was am Schluss der Lernsequenz erreicht worden sein muss bzw. könnte.
B. Selbst- und / oder Fremddiagnose (Ist-Soll-Analyse) mit dem Ziel: Herausfinden, wo ich als Lernende/r wieviel Zeit und Lernaufwand investieren muss bzw. will.
C. Förder- und individuell-kooperative Arbeitsplanung mit dem Ziel, dass jede/r Lernende weiß, wie sie/er vorgehen wird und was sie/er bis wann erreicht haben will.
D. Vielfältige Lernangebote im Themen- bzw. Kompetenzbereich mit dem Ziel, dass unterschiedliche Aufgabentypen (z. B. handlungsorientierte, analytisch-strukturierende, problemlösende, projektorientierte, zu beurteilende Lernangebote) auf der Grundlage eines konstruktivistischen Lernverständnisses im Lehr-/Lernarrangement vorhanden sind.
E. Darüber hinaus muss es Impulse geben, vermittlungsdidaktische Lernangebote für Interessierte, nicht zwangsläufig für alle Lernenden, da jede/r auf unterschiedlichem Niveau mit unterschiedlichem Vorwissen lernt) mit dem Ziel, lehrervermittelte Lernangebote an die Lernenden über das Material hinaus zu machen. Darüber hinaus muss es Impulse geben, die interessierten Lernenden (nicht zwangsläufig für alle Lernenden, aufgrund des unterschiedlichen Vorwissens und Lernniveaus) über das Material hinaus vermittlungsdidaktische sowie lehrervermittelnde Lernangebote ermöglichen.
F. Lernbegleitung mit dem Ziel der Reflexionsförderung, der religiösen Lernzielorientierung, der Diagnosebasierung mit dem Fokus auf die Förderung eines nachhaltigen Lernens der Lernenden.
G. Lernstandsüberprüfung und Lernerfolgskontrollen sind in Bezug zu den angestrebten Kompetenzzielen mit dem Ziel, die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbststeuerung (weiter zu-)entwickeln.
H. Reflexion
- Schritt 1: Feststellen, was ist (Ist-Soll-Vergleich)
- Schritt 2: Interpretation des Ergebnisses
- Schritt 3: Ziehen der persönlichen Schlüsse / neue Maßnahmenplanung
Das Team um Horst Kaufmann hat sich auf den Weg gemacht, die Gestaltung des Lernens in heterogen Lerngruppen im Ev. Religionsunterricht beim Lernen in heterogenen Lerngruppen chancenorientiert zu gestalten. Viele Widerstände und Hindernisse bei den Schüler/innen sind dabei als Herausforderung zu überwinden, aber die konkreten Schritte auf dem Weg bei der Umsetzung einer anderen Lernkultur im Religionsunterricht, hier im abgebildeten Lehr-Lernarrangement "Sonntagsarbeit_Sonntagsruhe?!", lohnen sich für Lehrende und Lernende.
Weitergehende Details zu den einzelnen Schritten
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Unterrichtsmaterialien zu den jeweiligen LernJobs
Basismaterialien für alle Einheiten
Arbeitspapier Ausgangsituation
Lernjob I - Ethische Urteilsbildung "Sonntag und Arbeitsmarkt"
LernJob II - Handlungsorientierung Sonntag und Gesellschaft
Zur Aktion
Dieser Einführungsartikel sowie die Materialien zum Lehr-/Lernarrangement basieren auf allgemeinpädagogischen Gedanken von Andreas Müller, von Peter Heiniger (Päd. Hochschule Thurgau, Schweiz), Der Interdependente Lernzyklus (ILZ) – ein Prozessmodell zur Gestaltung individualisierender Lehr‐Lern‐Settings zur Förderung der Kompetenzen in den Bereichen selbständiges Lernen und Selbststeuerung (Publikation in Vorbereitung, Version vom 30.05.2015), in eigenständiger Übertragung auf den Religionsunterricht.
Die Gestaltung der Lernaufgaben sind inspiriert durch Gedanken von Andreas Müller, Institut Beatenberg, Schweiz, sowie auf fachdidaktischer Grundlage durch Horst Kaufmann (Studienseminar BS Kassel und Universität Kassel, FB 02), Fachdidaktische Strukturen im Ev. Religionsunterricht an beruflichen Schulen. Praxisanregungen zur Gestaltung kompetenzorientierter Lehr-/Lernarrangements im Berufsschulreligionsunterricht, 2017 (bisher nur seminarintern veröffentlicht).